In den vergangenen 25 Jahren seines Bestehens hat das Betreute Wohnen des Sankt Vincenzstifts eine erstaunliche Entwicklung vollzogen: Was zunächst mit vier Betreuten begann, hat sich kräftig auf heute 156 Personen im Betreuten Wohnen entwickelt. Anlässlich seines Jubiläums hatte die Abteilung Betreutes Wohnen Ende vergangener Woche ins Gemeindezentrum Heilig Kreuz in Geisenheim eingeladen. Eine private Feier sollte es sein, mit Freunden und Unterstützern, die teilweise bereits von Anfang an das Vorhaben begleiten.
„An erster Stelle möchte ich Helga Heil und ihre Familie nennen, die uns 1997 die erste Wohnung für das Betreute Wohnen angeboten haben“, so Jolante Greger, die Pädagogische Geschäftsführerin des Sankt Vincenzstifts. „Ohne Menschen wie Sie wäre unser Vorhaben von Anfang an gescheitert.“ Mittlerweile hat das Betreute Wohnen mehrere Wohnungen der Familie angemietet. „Frau Heil hat uns immer wieder bei anderen Vermietern Wohnungen vermittelt und stets ein offenes Ohr für unsere Belange. Dafür danken wir Ihnen herzlich.“ Auch die Familie um Kurt Kremer ist Vermieter mehrerer Wohnungen. „Herr Kremer hat immer unsere Bewohner im Blick und ist als Ansprechpartner häufig vor Ort“, so Jolante Greger.
Inklusion könne nur dann gelingen, wenn das soziale Umfeld Menschen mit Beeinträchtigungen die Chance einräume, diese Inklusion auch zu leben. „Die Vermieter haben schon sehr früh erkannt, dass Menschen mit Handicap die gleichen Interessen und Bedürfnisse haben wie viele andere Menschen auch. Diese gelebte Normalität ermöglicht es ihnen, in der Gesellschaft zu leben.“ Die Assistenz durch die Mitarbeiter:innen des Sankt Vincenzstifts vermittle zudem den Vermietern die Sicherheit, im Bedarfsfall Ansprechpartner zu haben, die die jeweilige Situation mitgestalten.“
Die größte Anerkennung gelte jedoch den Nutzern des Betreuten Wohnens, die als Erwachsene den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt hätten. „Die meisten von Ihnen wohnten vorher in Wohngruppen des Sankt Vincenzstifts. Diese relative Sicherheit zu verlassen und alleine oder in einer Wohngemeinschaft zu leben, braucht Mut und Selbstvertrauen und Kompetenzen, um den Alltag selbständig zu bewältigen. Alles drei haben Sie bewiesen“, betonte die Pädagogische Geschäftsführerin. Dabei könnten sie sich stets auf die Unterstützung der Mitarbeiter:innen des Sankt Vincenzstifts verlassen. „Das Team um Lothar Schöbinger, der von der ersten Stunde an dabei war und das Betreute Wohnen aufgebaut hat, steht mit Rat und Tat zur Seite und gibt Sicherheit.“ Sie seien Ansprechpartner für alles: Einkaufen, Haushalt, Ernährung, Körperpflege, soziale Kontakte, Konfliktberater und vieles mehr. Die indivdiuelle Selbstständigkeit weiterentwickeln sei das Ziel. „Dies erfordert eine an den Wünschen und Bedarfen der Leistungsnehmer:innen ausgerichtete Assistenz.“
Das Betreute Wohnen im Sankt Vincenzstift 1997-2022
Von Anfang an lagen Auf- und Ausbau des neuen Angebotes in den Händen von Lothar Schöbinger, der zu diesem Zeitpunkt bereits alle Außenwohngruppen des Sankt Vincenzstifts leitete. Die erste Wohngemeinschaft bildete sich am 4. September 1997 im Kieseler Weg in Rüdesheim, bestehend aus vier Leistunsgnehmer:innen, zwei Frauen und zwei Männer. Alle vier hatten zuvor in Erwachsenen-, bzw. Jugendwohngruppen des Sankt Vincenzstiftes gelebt. Bereits Anfang Dezember 1997 kamen zwei weitere Bewohner dazu. Bis 2006 wuchs das Betreute Wohnen langsam, aber kontinuierlich, der Großteil der Leistungsnehmer:innen wechselten aus den Außenwohngruppen ins Betreute Wohnen. Seit 2007 ist die gesamte Platzzahl im Sankt Vincenzstift ungefähr gleichgeblieben: in dem Maße, wie das Betreute Wohnen wuchs, nahmen die stationären Wohnplätze ab. Auch der Familienentlastende Dienst wuchs, sowie weitere ambulante Angebote. Ganz im Sinne des Zukunftsprozesses „mit ins Leben gehen“, zum dem mehr Dezentralisierung und Ambulantisierung gehören, wurde mit dem Landewohlfahrtsverband vereinbart, 40 stationäre Plätze in Betreutes Wohnen umzuwandeln.
Für alle Leistungsnehmer:innen galt sicherzustellen, dass sie Empowerment mit steigender Verselbständigung (er-) leben können. Dieses Ziel war auch Teil neuer pädagogischer Konzepte, die Lothar Schöbinger und sein Team erstellten und zur Genehmigung vorlegten. Dieses positive Klima führte maßgeblich dazu, dass die Belegungskurve in den folgenden Jahren steil nach oben ging und viele neue Erkenntnisse in der Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigung gewonnen werden konnten. In den Folgejahren erteilte der Landeswohlfahrtsverband die Zulassung für die Assistenz bei Menschen mit überwiegend „körperlicher Beeinträchtigung“, wenige Jahre später auch für Menschen mit überwiegend „psychischer und seelischer Beeinträchtigung“. Dies war die Voraussetzung, um weiter kontinuierlich wachsen zu können. Die dritte Zulassung bezog sich auf die Assistenz in Familien, zu diesem Zeitpunkt im Rheingau-Taunus-Kreis ein einmaliges Angebot. Alle Angebote sind in entsprechenden pädagogischen Konzepten verankert. Auch heute noch will und wird sich das Betreute Wohnen des Sankt Vincenzstiftes weiterentwickeln: Auch auf der anderen Rheinseite, im Landkreis Mainz-Bingen, später auch in Mainz und im Rhein-Lahn-Kreis, sollen Leistungen des Betreuten Wohnens angeboten werden